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Allgemeine Anrechnungsempfehlung 
Gutachtereinschätzung
Dr. Michael Herschelmann, Dipl.-Päd.
„Parole Emil - Jungs im Fokus“ – Die-
se Fortbildung betritt Neuland. So wie
Emil Tischbein in Erich Kästners „Emil
und die Detektive“ erstmals nach Berlin
fährt, so haben sich die Evangelische
und Katholische Erwachsenenbildung
in Oldenburg auf den Weg gemacht,
um neue Wege der Jungenförderung im
elementar- und primarpädagogischen
Schnittstellenbereich zu eröffnen und zu
beschreiten.
Innovativ
Der besonders innovative Gehalt dieser
Fortbildung zeigt sich schon allein da-
ran, dass es trotz intensiver Bemühungen
nicht gelungen ist, einen Referenzstudi-
engang zu finden. Entgegen der Präsenz
des Themas „Jungen“ (z.B. als neue Bil-
dungsverlierer) in den Medien und den
Fachdiskussionen zeigt sich, dass Jungen
in der Praxis, Forschung und der Aus-
und Fortbildung noch nicht ausreichend
Aufmerksamkeit geschenkt wird. Umso
erfreulicher ist es, wenn durch diese Inno-
vation aus der Praxis erfahrenen Berufs-
praktiker/inne/n ermöglicht wird, sich für
diese gesellschaftlich bedeutsame Arbeit
zu qualifizieren. Und das über Fachgren-
zen hinweg. So wie sich in „Emil und die
Detektive“ verschiedene Jungen unter
der „Parole Emil!“ zusammenschließen
(um einen Dieb zu stellen), so wird mit
der Fortbildung für die interdisziplinäre
Kooperation von Erzieher/inne/n und
Grundschullehrer/inne/n (also für eine
Zukunftsaufgabe) qualifiziert.
Praxisbezogen
Die Fortbildung zeichnet sichdurcheinen
starken Praxisbezug aus und passt damit
hervorragend zu einem berufsqualifizie-
renden BA-Studiengang. Dabei nimmt sie
Aspekte aktueller wissenschaftlicher Dis-
kussionen, z. B. um interkulturelle und in-
klusive Jungenarbeit oder Crosswork und
reflexive Koedukation, mit auf. In Kästners
Roman spielen die weiblichen Figuren
der Mutter und Oma eine wichtige Rolle,
die Väter sind abwesend. In der Fortbil-
dung wird u.a. diese, in Kindertagesstät-
ten und Grundschulen durchaus bekann-
te, Konstellation professionell bearbeitet.
Außerdem gibt es nicht nur Emil Tisch-
bein, sondern auch Gustav mit der Hupe,
den Professor oder den kleinen Dienstag
– also ganz verschiedene Jungen. Auch
das findet sich in der Fortbildung wie-
der. Die Teilnehmer/innen sind mit den
angeeigneten Instrumenten für eine
geschlechtergerechte und diversitätsbe-
wusste Jungenförderung in der Lage, zur
Verbreitung und Vernetzung geschlech-
terbewusster Praxis beizutragen. Sie ha-
ben sich damit bereits mit den Themen
Gender und Diversity beschäftigt, die als
Querschnittsthemen in den Hochschulen
eine immer größere Bedeutung erlangen.
Reflektiert
Darüber hinaus spielt die (Selbst-) Refle-
xion in der Fortbildung eine große Rolle.
Die Teilnehmer/innen können nicht nur
ihren Umgang mit Jungen und ihre ei-
gene geschlechterpädagogische Arbeit
in ihrer jeweiligen Einrichtung reflektie-
ren. Sie haben sich auch ihr eigenes Bild
von Jungen und ihre – oft unbewussten
– Erwartungshaltungen und Botschaften
bewusst gemacht. Wer „Emil und die De-
tektive“ liest, findet ihn und seine Freun-
de auf Anhieb sympathisch. Das schafft
auch diese Fortbildung. Die Jungen sind
bei Kästner, obwohl sie auch Streiche ma-
chen, intelligent, aktiv, höflich, empfind-
sam, gutmütig, unkompliziert, tatkräftig
und hilfsbereit. Die Teilnehmer/innen der
Fortbildung beschreiben als Wirkung,
dass sich ihre Wahrnehmung und Hal-
tung zu Jungen geändert hat. Sie sehen
sie positiver und haben z.B. Vertrauen,
dass Jungen ihre Konflikte verantwor-
tungsvoll selbst lösen können („Die ma-
chen das gut!“). In ihren pädagogischen
Interventionen sind sie offener und zu-
rückhaltender.
Fragen lässt sich sicherlich, ob der alleini-
ge Fokus auf die Jungen reicht, oder wel-
che Geschlechterordnung damit (re)pro-
duziert wird. In „Emil und die Detektive“
gibt es nur ein Mädchen, Pony Hütchen.
Sie ist nicht in die Jungengruppe inte-
griert, verspielt, hilfsbereit, dienend und
versammelt viele weibliche Klischees.
Der einseitige Blick auf nur ein Ge-
schlecht reproduziert häufig dualistische
Der Gutachter
Dr. phil. Michael Herschelmann,
Diplom-Pädagoge, ist geschäftsfüh-
render Leiter des Kinderschutz-Zen-
trums Oldenburg.Er arbeitet seit 1997
in verschiedenen nationalen und
internationalen (Praxisforschungs-)
Projekten u.a. zu den Themen Prä-
vention von (sexueller) Gewalt an
Mädchen und Jungen, Jungenarbeit
und Jungensozialisation, Männlich-
keitsforschung. Er entwickelte Instru-
mentarien zur (Selbst-) Evaluation
und Qualitätsentwicklung in Kinder-
tagesstätten und Grundschulen mit
und war im Rahmen europäischer
Kooperationen als Experte einbezo-
gen in ein Projekt zur frühen Gewalt-
prävention und zur Zusammenarbeit
von Fachkräften und Eltern im Über-
gang Kindergarten-Grundschule mit
dem Fokus auf Jungen und Väter. Er
hatte Lehraufträge an der Carl von
Ossietzky Universität Oldenburg, der
Universität La Laguna Teneriffa/Spa-
nien und der Fachhochschule Olden-
burg/ Ostfriesland/ Wilhelmshaven.
und stereotype Geschlechterkonstrukti-
onen und vernachlässigt Geschlechter-
verhältnisse. Ein geschlechterbewusster
Blick auch auf die Mädchen, auch insge-
samt von allen - nicht nur von den wei-
tergebildeten – Mitarbeiter/inne/n, und
auf die gesamte Einrichtung, ist im Sinne
des Ziels Geschlechtergerechtigkeit si-
cherlich wichtig.
Es bleibt zu hoffen, dass Hochschulen
die innovative Bedeutung der Inhalte
der Fortbildung erkennen und in ihre
Curricula aufnehmen. Sie können sich
außerdem freuen, wenn sie derart vor-
qualifizierte Studierende für ihre Studi-
engänge gewinnen können.
Anhang
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